Claudia Tittel Ehem. Research Fellow

Claudia Tittel
April - September 2018

Vita

Claudia Tittel ist wissenschaftliche Assistentin (Post-doc) an der Professur Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie studierte Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Université Paris I – Panthéon-Sorbonne sowie Architektur und Stadtplanung an der Ecole d’Architecture de Belleville Paris und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2009 bis 2011 war sie künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin für Medienkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und von 2011 bis 2015 wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Geschichte und Ästhetik der Medien am Kunsthistorischen Seminar der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Neben ihrer Lehrtätigkeit realisiert sie kuratorische Projekte im In- und Ausland u.a. das Festival Re-*. Recycling_Sampling_Jamming. Künstlerische Strategien der Gegenwart (Akademie der Künste Berlin, 2009) und die Ausstellungen "Editing Spaces. Reconsidering the Public" (Akademie der Bildenden Künste und Nationalgalerie Vilnius, 2011), Imaginary Landscape. Hommage an John Cage (Kunstverein Gera, 2012), "Serielle Materialität. Imi Knoebel und Peter Roehr" (Kunstverein Gera, 2013), "Tilde. Die Anwesenheit der Abwesenheit" (Klinger-Forum Leipzig, 2013), "Karl-Heinz Adler. Zeitschichten. Werke 1957-2017 (Museum für Angewandte Kunst Gera, 2017), "Migration der Dinge" (Schloss Belvedere Weimar, 2017). Derzeit bereitet sie die Ausstellung „Intermediale Experimente. Kurt Schmidt und die Synthese der Künste“ für das Bauhaus-Jubiläum vor.

Stand: 2018

Forschungsschwerpunkte

Zeitgenössische Kunst, Medien- und Kunstgeschichte, Medien- und Kunsttheorie, Curatorial Studies, Sound Studies, Theorie der Fotografie, Zeitgenössische Fotografie, Medienarchitektur

IKKM Forschungsprojekt

Die Kunst der (Re*)Produktion. Strategien der Wiederholung in Fotografie, Film und zeitgenössischer Kunst

Volle Archive, stete Verfügbarkeit, beständige Produktion von Informationen und Bildern und deren fortwährende Disponibilität haben ein System der zyklischen Wiederverwertung geschaffen, das auf ständiger Wiederholung und Neuschöpfung basiert. Insbesondere im digitalen Zeitalter scheint die Produktion von Bildern nicht abzureißen. Durch die Digitalisierung werden nicht nur fortwährend (Bild)Daten produziert, sie sind auch in größerem Maße veränderbar, noch massenhafter und flüchtiger geworden, sodass sich die Frage nach ihrer Verwertbarkeit, der operationalen Kette von Bildern und ihrem Verhältnis zueinander neu stellt. Wie operieren diese Bilddatenberge, die uns in immer neuen sozialen, politischen und ästhetischen Zusammenhängen begegnen? Wie und wo treten sie uns entgegen?

In den visuellen Künsten wird auf das System der steten Verfügbarkeit und zyklischen Wiederverwertung mit unterschiedlichen ästhetischen Konzepten und Techniken reagiert: Künstlerinnen und Künstler zitieren, recyclen, samplen, collagieren und jammen; sie wiederholen, reihen, ordnen, strukturieren, greifen bestehende Verfahren auf, übertragen sie in neue Kontexte und entwickeln daraus neue ästhetische Konzepte und Strategien. Zugrunde liegt den Kulturtechniken der Reproduktion die gängige Praxis der kulturellen Aneignung, der Wiederverwertung, aber auch der Objekt- bzw. Bild(neu)konstruktion. Rekursivierung, d.h. der Rückbezug/Verweis auf ein Original bzw. auf einen Vorgänger ist diesen Praktiken ebenso immanent, wie die Erschaffung und Konstruktion von Neuem aus dem Vorhandenem: Gegebenes oder (vor)gefundenes Material wird durch Vervielfältigung, Spiegelung, Restrukturierung und Dekontextualisierung in einen anderen Zustand transformiert, zu neuen ästhetischen Gefügen geformt und erhält damit einen neuen Sinnzusammenhang. Diese Konstellationen der Wiederholung und des Zurück bringen jedoch nicht nur neue ästhetische Gebilde und Ordnungen, sondern gleichsam das sich in ihnen findende Widerstreitende dieser Formationen hervor.

Doch nicht erst mit der Digitalisierung werden Wiederholung und Serialität zum Konzept einer neuen Ästhetik. Bereits ab dem 19. Jahrhundert werden durch die fortschreitende Industrialisierung und Mechanisierung Produkte seriell in hoher Frequenz und vor allem massenhaft hergestellt, sodass neue Produktionsketten entstehen, was ebenfalls neue Bildoperationen zeitigt. Bilder werden in den Printmedien nicht nur massenhaft hergestellt, sondern neu und mit anderen Medien kombiniert. Dem neuen technischen Medium Fotografie sind von Anfang an Reproduktion und Wiederholung als ästhetisches Prinzip eingeschrieben. Auch in der Malerei wird spätestens seit dem Impressionismus der Serialismus als ästhetisches Konzept eines Nacheinanders von Zeitereignissen des gleichen Phänomens entdeckt. Serialität und Wiederholung sind also keinesfalls neue Phänomene des digitalen Zeitalters, doch lässt uns die Digitalisierung neu über Serialitätskonzepte und Reproduktionstechniken nachdenken. Während sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Minimal Art mit den ästhetischen Prinzipien der (Re*)Produktion, der Reihe und Serie, auseinandersetzt und die amerikanischen Pop Art das kapitalistische Produktionssystem, d.h. das Konzept der konformen Warenästhetik, auf die Kunst überträgt und damit den gesellschaftlich-sozialen Bezug des auf Standardisierungsprozessen und Serialität basierenden tayloristischen Produktionssystems zelebriert, so ist heute zu fragen, wie sich die Digitalisierung auf die ästhetische Produktion von Bildern auswirkt. Im Forschungsprojekt wird untersucht, wie sich heutige künstlerische Strategien des Reproduzierens zu den digitalen Phänomenen und ihren reproduktiven Möglichkeiten verhalten, alte serielle Konzepte wieder aufnehmen und neu interpretieren. Während die Anhäufung von Daten und Bildern zu einer Umstrukturierung und Überprüfung des angesammelten Wissens führt und damit die Schaffung neuen Wissens suggeriert, wäre zu fragen, aus welchen Quellen heutzutage wie geschöpft wird und welche neuen ästhetischen Konstellationen dabei entstehen. Es ist nicht mehr nur ein Verweis auf das Original relevant, sondern die Schaffung und Erfindung neuer Prozesse und Verfahren der Reproduktion. Die Frage ist, wie heutzutage unter dem Zeichen der Digitalisierung reproduktive Techniken erscheinen, wie Bilder angeeignet werden und wie sich die Frage nach der Ontologie der Reproduktionstechniken in ihnen widerspiegelt.

Im Forschungsprojekt wird untersucht, wie sich heutige künstlerische Strategien zu den digitalen Phänomenen und ihren reproduktiven Möglichkeiten verhalten, alte serielle Konzepte wieder aufnehmen und neu interpretieren. Während die Akkumulation von Daten und Bildern zur Restrukturierung und Auseinandersetzung mit dem angehäuften Wissen und damit eine die Neuschöpfung von Wissen nahelegt, wäre zu fragen, welche neuen ästhetischen Konstellationen dabei entstehen. Es geht nicht mehr nur um den Verweis auf ein Original, sondern um die Erzeugung und Erfindung neuer Prozesse und Verfahren der Reproduktion und die Frage, wie und wo heutzutage die Aneignung von Bildern erfolgt und wie sich darin die Frage nach der Ontologie reproduktiver Techniken spiegelt.

Jüngste PUblikationen

Herausgeberschaften:

Migration der Dinge. Kulturtransfer und Wissenszirkulation in Zeitaltern der Globalisierung, Schriftenreihe des Internationalen Kollegs für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie, Bd. 31, Weimar 2017.

Karl-Heinz Adler. Zeitschichten. Werke 1957-2017, Ausst.kat. Museum für Angewandte Kunst Gera, Berlin 2017 (gemeinsam mit Sabine Tauscher).

Serielle Materialität. Imi Knoebel und Peter Roehr, Ausstellungskatalog Kunstverein Gera e.V., Jena 2013 (gemeinsam mit Babett Forster).

IMAGINARY LANDSCAPE. Hommage an John Cage, Ausstellungskatalog Kunstverein Gera e.V., Jena 2012.

Aufsätze:

Touch me! Berührung als subversive Geste in der Performancekunst, in: Steffen Haug und Tina Zürn (Hrsg.), Don’t touch. Touch Screen. Das Bild, der Blick und allerhand Formen taktiler Wahrnehmung und Erkenntnis. Festschrift für Michael Diers, Berlin 2018.

Times Square 2.0. Der Platz als mediales Spektakel, in: Alessandro Nova, Brigitte Soelch (Hg.), Platz-Architekturen. Kontinuität und Wandel öffentlicher Stadträume vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, München: Deutscher Kunstverlag 2018, S. 299-310.

Magnetic Attacks. Christina Kubischs Arbeiten mit elektromagnetischer Induktion, in: Positionen. Texte zur aktuellen Musik (114) 2018, S. 43-46.

Der Verdacht. Benjamin Heisenbergs Film Schläfer (D, 2005) als Portrait einer verunsicherten Gesellschaft, in: Verena Krieger (Hg.), BrandSchutz. Aktuelle künstlerische Strategien zu Mentalitäten der Intoleranz, Weimar 2018, S. 145-163.

Der blinde Fleck. Anmerkungen zu Günther Selichars Serie Who´s Afraid of Blue, Red and Green? im öffentlichen Raum, in: Günther Selichar. Who’s Afraid of Blue, Red and Green? (1990-2015), Wien 2017, S. 185-216.