Vita
Birgit Schneider, born 1972, studied art history, philosophy, media studies and arts at Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Humboldt-Universität zu Berlin and Goldsmiths College, London. From 2000 to 2007, Schneider was a research associate in the project “Das Technische Bild”, managed by Horst Bredekamp, at the Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Humboldt-Universität zu Berlin. She received her Ph.D. from Humboldt-Universität zu Berlin with a dissertation entitled „Textiles Prozessieren: Eine Geschichte der Lochkartenweberei“, which was reviewed by Friedrich Kittler and Horst Bredekamp. Since 2008, Schneider is a Dilthey-Fellow of Fritz Thyssen-Foundation at the Institut für Künste und Medien, Universität Potsdam, with a research project on „Images of the climate: A typology of climate visualization and ist changes since 1800“. In 2010, she was appointed Visiting Professor for Geschichte und Theorie der Kulturtechniken at the Faculty of Media, Bauhaus-Universität Weimar. Schneider currently holds a Visiting Fellowship at the Rachel Carson Center for Environment and Society at Ludwig-Maximilians-Universität München. As a supplement to her academic appointment, Schneider continuously engages with the subject of sustainability and climate change. From 2010 to 2011, she directed the artistic research project “Austertraum” in cooperation with the artist Stefan Saffer, as part of an initiative for art and sustainability founded by the Kulturstiftung des Bundes.
Dated from 2015
IKKM Forschungsprojekt
Die Strukturbildlichkeit des Netzes
Das Netz avancierte im Verlauf der letzten knapp zweihundert Jahre zur universellen Metapher einer dominanten Grundstruktur, in der sich heute äußerst heterogene Vorstellungen von technischen Wirklichkeiten, Geist und Gedächtnis, Geschichte sowie Sozialem unauflöslich miteinander verbunden haben. Wir »leben in der Metapher« (Lakoff/Johnson) des Netzes, sie strukturiert unser Denken und Handeln. Die verbreitete textile Metaphorik besitzt als »Denkfigur ihren eigenen heuristischen Wert« (Eigenbrot), kann also selbst als eine Art problematisierende Arbeitshypothese gelten. Sie setzt zahlreiche Bilder und Assoziationen frei, die in einer Rückkoppelung wiederum die Vorstellungen von dem, was ein Netz sei, verändern können. Aufgrund dieser doppelten Wirksamkeit von Metaphern besitzt auch das Bild des Netzes die Kraft, eine neue Realität zu schaffen. Metaphern können wiederum mit dem Philosophen Hans Blumenberg als jene »Restbestände« und »Rudimente auf dem Wege ›vom Mythos zum Logos‹« betrachtet werden. Dieser Einschätzung folgend, wäre auch die Netzmetapher eine jener »›Übertragungen‹, die sich nicht ins Eigentliche, in die Logizität zurückholen lassen«. Das Netz als heutige globale und mediale Wirklichkeit lässt sich immer nur partiell rationalisieren. Die Metapher schafft eine »kohärente Struktur, beleuchte[t] manche Aspekte und ver[birgt] andere« (Lakoff/Johnson). Aus diesem Grund kann auch das heutige, ubiquitäre Bild des Netzwerks mit Blumenberg als eine »absolute Metapher« bezeichnet werden. Als absolute Metapher suggeriert dieses Denkbild ein einfaches Verständnis dessen, was Menschen geschaffen haben, trotz der unfassbaren Komplexität und der Unsichtbarkeit globaler Netze. In der Metaphorik des Netzes erscheint das Netz »begreifbar«.
In meinem Forschungsprojekt werde ich aufbauend auf den Forschungen von Laura Otis, Sebastian Gießmann und Tim Ingold die vielseitig anschlussfähige, vielschichtige Metaphorik des Netzes auf unterschiedliche Gegenstände anwenden und kritisch hinterfragen: auf textile Objekte wie Fischernetze und Kabelstrukturen einerseits, aber auch auf die kartografischen und diagrammatischen Netze, in deren Strukturen das Wissen über die Erde eingefangen wird. Auf diese Weise möchte ich die operativen, heuristischen sowie epistemischen Leistungen der Strukturbildlichkeit des Netzes zwischen Materialität und Immaterialität – zwischen Vergegenständlichung/Visualisierung und Denken –analysieren.
Publikationen
Monographien
Textiles Prozessieren. Eine Mediengeschichte der Lochkartenweberei. Berlin: diaphanes 2007.
Herausgaben
with Christoph Ernst, Jan Wöpking: Diagrammatik. Ein interdisziplinärer Reader. Berlin: Akademie Verlag 2014.
with Thomas Nocke: Image Politics of Climate Change. Visualizations, Imaginations, Documentations. Bielefeld: transcript in cooperation with Columbia Press 2014.
with Stefan Saffer: AUSTERTRAUM. Kompendium für eine Kultur der Zukunft. London: Lost Books 2011.
with Horst Bredekamp, Vera Dünkel: Das Technische Bild. Kompendium für eine Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie Verlag 2008 [The Technical Image, Chicago Press 2015].
Artikel
“Ohne Linien ist der Geist blind. Elemente einer Praxis- und Wissensgeschichte der explorativen Grafik”. In: Wolfgang Cortjaens, Karsten Heck (eds.): Stil-Linien diagrammatischer Kunstgeschichtsschreibung. Marburg: Foto 2014.
“Red Futures. The colour red in scientific imagery of climate change”. In: Monica Juneja, Gerrit Jasper Schenk (eds.): Disaster as Image. Iconographies and Media Strategies across Europe and Asia. Regensburg: Schnell + Steiner 2014, pp. 183-193.
“Caught in the Tangle of the Net. On a History of the Network Metaphor”. In: Markus Brüderlin et al. (eds.): Art & Textile – Fabric as Material and Concept in Modern Art from Klimt to the Present (exhibition catalogue). Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2013, pp. 328-339.
“Climate Model Simulation Visualization from a Visual Studies Perspective. In: WIREs Climate Change, Vol. 3, Issue 2, March/April 2012, pp. 185–193.
“Image Politics: Picturing Uncertainty. The Role of Images in Climatology and Climate Policy”. In: Gabriele Gramelsberger, Johann Feichter (eds.): Climate Change and Policy. The Calculability of Climate Change and the Challenge of Uncertainty. Berlin/ Heidelberg: Springer 2011, pp. 191-209.
‘Textile Codierungen. Mediale Übersetzungen von Material und Struktur bei Elaine Reichek, Patricia Waller und Ingrid Wiener’. In: Tristan Weddigen (ed.): Metatextile: Identity and History of a Contemporary Medium. Emsdetten/Berlin: Edition Imorde 2011, pp. 109-120.
“Mit bildnerischen Elementen operieren. Paul Klee und die Struktur der Weberei”. In: Hubertus von Amelunxen, Dieter Appelt, Peter Weibel (eds.): Notation. Kalkül und Form in den Künsten. Berlin: Fürst & Iven 2008, pp. 169-278.