Carolin Bohlmann Ehem. Senior Fellow

Carolin Bohlmann
Dezember 2018 - März 2019

Vita

Restauratorin am Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart – Berlin. Forschungsschwerpunkt auf Restauriergeschichte, Kunsttechnologie und Materialtheorie. Promotion an der TU Berlin mit einer Arbeit über Tintorettos Maltechnik. Seit 1997 vorwiegend im Bereich Restaurierung/Konservierung zeitgenössischer Kunst tätig. Restauratorin der documenta 10, Kunstmuseum Wolfsburg; seit 2000 am Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin. 2013 Restaurierung der Rauminstallation Richtkräfte für eine neue Gesellschaft, 1974 – 76, von Joseph Beuys. Neue Nationalgalerie Berlin. Eine öffentliche Restaurierung in den Ausstellungsräumen des Museums im Hamburger Bahnhof. Ausstellungsprojekte zur Konservierung zeitgenössischer Kunst, Sammlung Marzona A-Z, (2014 – 2016 ausgestellt im Hamburger Bahnhof), Konzeption und Organisation der interdisziplinären Tagung Prozesskunst und das Museum (2016 Hamburger Bahnhof) zusammen mit Angela Matyssek.

Stand: 2019

Forschungsfelder

Restauriergeschichte, Materialtheorie und Konservierungswissenschaft

IKKM Forschungsprojekt

Befragung von Materialität und Immaterialität

Objektbiographien bemühen sich um die Herausstellung der „Geschichte“ des Werkes unter Hinzuziehung sämtlicher Informationen, die zu Arbeit und Werkgenese gehören. Mein Projekt setzt den Fokus auf die Dokumentation der materiellen Einschreibungen im Laufe ihrer jeweiligen Rezeptions- und Konservierungsgeschichte.
Konservierung als Praxis zielt üblicherweise darauf ab, die „Identität“ des Kunstwerks zu bewahren. Und sie zielt darauf ab, verschiedene authentische Installationen von Werken in Zukunft zu realisieren. Die Vorstellung von Authentizität, die auf materiellen Beweisen und der Annahme beruht, dass etwas real, echt oder einzigartig ist, ist jedoch für einen bedeutenden Teil der zeitgenössischen Kunst weniger relevant als die konzeptuelle Identität eines Werkes. So werden in musealen Sammlungen viele Objekte teilweise als Hybride gesammelt und bewahrt, deren Authentizität gesetzt, aber nicht befragt wird.
Mit dem vermehrten Einsatz von fragilen, vergänglichen Materialien in der modernen und zeitgenössischen Kunst wird deutlich, dass es längst nicht mehr ausreicht, die Werke, ihre Idee und ihre Historie zu befragen. Vielmehr bedarf es einer übergreifenden Diskussion und Vernetzung zwischen den unterschiedlichen beteiligten Instanzen und Institutionen, um zu einer präziseren Vorstellung und einem angemessenen Umgang mit künstlerischen Werken zu gelangen.
Gerade Konzeptkunstarbeiten und installative Arbeiten, aber auch die Arbeit mit Ausstellungskopien beruhen zumeist auf Absprachen, was ihre Bewahrung, Wiederaufführung und Wiederholung betrifft. Das Projekt nimmt auch die nicht über das Material nachvollziehbare Seite der Werke, die nicht herstellbare Materialität in den Blick. Denn Aufgabe bei Konservierungen wie bei der Erstellung von Objektbiographien ist es, die materiellen, nicht nachvollziehbaren Informationen immer wieder neu zu erfragen, auszuhandeln, zu dokumentieren und anzuwenden.
Am Beispiel verschiedener Fallstudien möchte ich zu Werken von Carl Andre, Robert Morris, Bruce Nauman und Charlotte Poesenenske, Befragungen durchführen und die verschiedenen Praktiken der Aufführung und Wiederholung darstellen sowie Erhaltungsstrategien formulieren.

Ausgewählte Publikationen

„Vergänglichkeit für die Ewigkeit. Zur Konservierung moderner und zeitgenössischer Kunst“, in: Paragrana. Zeitschrift für Historische Anthropologie 2018 (in print)
„From Action to Object. On the Preservation and Conservation of Performance Art Relics“, mit Ina Hausmann und Eva Riess, in: Journal of the Institute of Conservation, 2018 (in print)
„E wie Erhalten – ein Blick hinter die Kulissen“, in: Marzona A-Z, Hg. Lisa Marei Schmidt, Berlin 2017 , n.p.
„Punkt, Punkt, Komma, Strich – zu Dieter Roth“, mit Beate Söntgen, in: Satzzeichen, Hg. Helga Lutz, Nils Plath, Dietmar Schmidt, Berlin 2017, 347-356
Notes on Materiality. Shrunk and shrivelled, in: http://objectnotes.org/item/notes-on-materiality-geschrumpft-und-geschwunden, 2016
„Spuren sichern. Vom restauratorischen Umgang mit Werkspuren bei der Konservierung der 100 Bildtafeln aus der Installation Richtkräfte einer neuen Gesellschaft 1974-77 von Joseph Beuys“, mit Eva Riess, in: Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut des Verbandes der Restauratoren, Heft I, 2015, 17-28
„Maltechnische Aspekte der Lichtmalerei. Zur Materialität des Lichts“, in: Handbuch der Forschungsgruppe Lichtgefüge, Berlin 2011, 10-22
Lichtgefüge in Kunst und Naturphilosophie des 17. Jahrhunderts – Rembrandt und Vermeer, Hg. Carolin Bohlmann, Thomas Fink und Philipp Weiss, München 2008
„Tintorettos Lichtgeister“, in: Der unbestechliche Blick. Festschrift zu Ehren von Wolfgang Wolters., Hg. Martin Gaier, Bernd Nicolai und Tristan Weddigen, Trier 2005, 387–393.
Lichtgefüge des 17. Jahrhunderts, Kritische Berichte, Themenheft 4, 2002, Hg. Carolin Bohlmann, Thomas Fink und Philipp Weiss
Ein Wandschirm von Pierre Bonnard und seine Restauriergeschichte, Hg. Carolin Bohlmann und Katharina Henkel, Köln 2001
Tintorettos Maltechnik. Zur Dialektik von Theorie und Praxis, München 1998