Vita
Elie During ist Dozent für Philosophie an der Université Paris Nanterre und Direktor des dortigen Masterstudiengangs. Er ist Mitglied des Institut de Recherches Philosophiques, Paris Nanterre. Er unterrichtet ebenso an der European Graduate School und an der École nationale des Beaux-arts in Paris.
Er studierte an der École normale supérieure in Paris (1993-1998) und der Princeton University (Procter fellowship, 1995-1996). Seinen Doktor erhielt er von der Université Paris Nanterre über philosophische Interpretation der Relativitätstheorie (“From relativity to space-time: Bergson between Einstein and Poincaré”, 2007). In den folgenden Jahren schrieb er Beiträge für mehrere Bände der kritischen Ausgabe von Henri Bergsons Werken, erschienen bei den Presses universitaires de France. In seiner Forschung befasst er sich mit den philosophischen und kulturellen Implikationen von Begriffen der Raum-Zeit und Simultaneität an den Schnittstellen von Ästhetik, Metaphysik und Wissenschaftstheorie.
Elie During ist Mitglied im Editorial Bord der Zeitschrift Critique (Éditions de Minuit) sowie Serienherausgeber von “MétaphysiqueS” (Presses universitaires de France) und “Idées” (Presses universitaires de Paris Nanterre).
Stand: 2018
Forschungsfelder
Zeitgenössische französische Philosophie (seit Bergson)
Wissenschaftsgeschichte und -theorie (Relativitätstheorie)
Philosophie der Zeit (und Raum-Zeit)
Ästhetik der zeitgenössischen Kunst (mit einem Seitenblick auf Architektur und Kino)
IKKM Forschungsprojekt
Fernwirkung und die Erfahrung von Simultaneität
„Die größte Herausforderung, Telepräsenz herzustellen, besteht darin, die Erfahrung des ‚Dort-Seins‘ zu erreichen“, schrieb Minsky 1980 in seiner bahnbrechenden Arbeit „Telepresence“. Aber was ist mit dem ‚Jetzt-Sein‘? Wie ist die Erfahrung von Simultaneität auf Distanz beeinflusst von der intensiven Nutzung von Telepräsenz-Technologien? Diese Frage muss auf einer fundamentalen Ebene angegangen werden. Der erste Aspekt, der erörtert werden soll, ist die Idee einer Tele-Wirkung im Allgemeinen. Es ist entscheidend, zwischen dem Fernwirken, welches normalerweise verstanden wird als ein Signal oder eine Information, die von einem Ort zu einem anderen über ein Kommunikationsmedium übertragen wird, und einer Fernwirkung, die nicht instantan sein muss aber die ein inhärentes überräumliches Element enthält, zu unterscheiden. Fernwirkung ist eigentlich eine „Wirkung ohne Ferne“, wie Raymond Ruyer zu sagen pflegte. Ich werde argumentieren, dass dieses Element schon implizit in der Art und Weise, wie wir die Erfahrung von Simultaneität fassen, enthalten ist, nämlich in der Ko-Präsenz oder Gleichzeitigkeit. Jedoch ist es ebenso wichtig anzuerkennen, dass Simultaneität durch Trennung wie auch Präsenz konstituiert wird. Simultaneität darf nicht mit der Synchronizität oder Unmittelbarkeit verwechselt werden. Ein umfassendes Verständnis von Simultaneität kann erreicht werden, indem ein gewisses Maß an Verzögerung und Unterbrechung miteinander in Einklang gebracht wird. Dies ist eine Haupterkenntnis der Relativitätstheorie (oder von Whitehead, was das betrifft) und sie findet vielerlei Anwendung in der neuen Medienlandschaft. Dieser Intuition folgend möchte ich die subtilen Formen der Zeitdehnung innerhalb eines allgemeinen Systems der Unmittelbarkeit (McLuhans „elect[on]ic nowness“) untersuchen, indem ich bestimmte Experimente betrachte, die von Medienkünstlern und Schriftstellern durchgeführt wurden und welche zeitgenössische Formen der Simultaneität erkunden; ebenso möchte ich aktuelle philosophische und wissenschaftliche Untersuchungen der perzeptiven, kognitiven und neurologischen Grundlagen der Bedeutung von Simultaneität mit einbeziehen. Davon ausgehend möchte ich einige Ideen über die schwer fassbare Qualität von Kunstwerken im Zeitalter der digitalen Simultaneität untersuchen. Dieser Teil meiner Forschung dreht sich um eine gewissermaßen dunkle Ahnung, die in der folgenden Frage zusammengefasst werden kann: Was bedeutet es, wenn die Simultatinät eines künstlerischen Ereignisses die Unterbrechung oder den Abbruch der Nahkommunikation zugunsten einer rigurosen Form von Fernwirkung implizierte?
Jenseits der McLuhanschen und leicht anachronistischen Aussichten auf eine Ästhetik der Simultaneität im Zeitalter der instantan operierenden Kommunikationstechnologien mag etwas weniger offensichtliches und wichtigeres liegen, das die Existenzweise des Kunstwerks in Raum und Zeit betrifft.
Jüngste Publikationen
Books
Faux Raccords: la coexistence des images (Actes Sud, 2010).
Qu’est-ce que le curating? (with H.-U. Obrist and D. Gonzalez-Foerster, Manuella Éditions, 2011).
The Future Does Not Exist (with A. Bublex, B42, 2014).
Critical editions
Henri Bergson, Durée et simultanéité, Paris, Presses Universitaires de France, coll. « Quadrige », 2009.
Henri Bergson, Le souvenir du présent et la fausse reconnaissance, Paris, Presses Universitaires de France, coll. « Quadrige », 2012.
Paul Langevin, Le Paradoxe des jumeaux : deux conférences sur la relativité (Presses de Paris Ouest, 2016).
Co-edited books
E. During, L. Jeanpierre, C. Kihm, D. Zabunyan, In actu: de l’expérimental dans l’art, Dijon, Presses du réel, 2009.
B. Stiegler, Philosophising by Accident: Interviews with Elie During, Edinburgh, Edinburgh University Press, 2017.
Some recent articles
« Turning movements : Fragments on Mark Lewis », in Mark Lewis, F. Bovier & H. Taieb (eds.), Genève, Métis, 2016.
« Coexistence and the flow of time » (in Japanese translation), in The Anatomy of Matter and Memory : Bergson and Contemporary Theories of Perception, Mind, and Time, S. Abiko, H. Fujita, Y. Hirai (eds.), Tokyo, Shoshi Shinsui, 2016; english version forthcoming.
« Ce que Gagarine a vu : condition orbitale et transcendance technique », Esprit, March 2017, p. 59-67.
« Quand l’écran fait image », in Image, corps, espace, in J. Lageira et M. Roman (eds.), Paris, Éditions Mimésis, 2017.
« From Zeno to Einstein: Bergson on simultaneity », in Interpreting Bergson: Critical Essays, A. Lefebvre et N. Schott (eds.), Cambridge, Cambridge University Press, 2018, forthcoming.