Jürgen Müller Ehem. Senior Fellow

Jürgen Müller
Oktober 2009 - September 2010

Vita

Jürgen Müller ist seit 2002 Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der TU Dresden. Zahlreiche Gastdozenturen und Vertretungen führten ihn nach Marburg, Bordeaux, Paris und Berlin. Er ist außerdem Mitglied im Fachbeirat Film der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und dem Internationalen Graduiertenkolleg »Institutionalität und Geschichtlichkeit«. Seine Forschungsschwerkpunkte liegen in Altdeutscher und altniederländischer Malerei, Kunst des Manierismus, Malerei des goldenen Zeitalters sowie Ernst Lubitsch. Er ist außerdem als Kurator und Publizist tätig. Seine Publikationen umfassen u. a. Das Paradox als Bildform. Studien zur Ikonologie Pieter Bruegels d. Ä., München 1999 und Concordia Pragensis. Karel van Manders Kunsttheorie im Schilder-Boeck. München 1993 Er wird am IKKM gemeinsam mit Lorenz Engell an einer Theorie der Dinge in der Komödie arbeiten.

Stand: 2010

Forschungsprojekt am IKKM

Filmironie

Ist das Lachen nicht ein Rätsel? Von außen betrachtet, versetzt es unseren Köper in konvulsivische Bewegungen. Trotzdem ist nicht klar, wie im Lachen Intellekt und Körper zusammengehen. Zudem kann Lachen ansteckend sein. Einmal begonnen, erlangt es eine gewisse Eigendynamik und hindert uns an normaler Kommunikation. Jedenfalls lässt es sich nicht ohne weiteres beenden, weshalb es jenseits der Intentionalität beginnen muss. Das Komische lässt sich nicht verhindern. Es ereignet sich. Nicht worüber, aber dass wir lachen, scheint eine anthropologische Konstante zu sein. Zudem hat das Lachen eine soziale Dimension. Es schließt ein und aus; stellt Gruppen, aber auch deren Grenzen her. Schwierig zu beschreiben ist, welches Vermögen das Lachen voraussetzt? Mit welchen Wahrnehmungsmöglichkeiten ist Humor verbunden, worin hat er seine Voraussetzung?

In den letzten Jahren habe ich mich im Rahmen meiner kunsthistorischen Forschungen mit dem Problem der Bildironie auseinandergesetzt. Dabei bin ich der Frage nachgegangen, wie Aussagen organisiert sein müssen, damit das „Gesagte“ das Gegenteil des „Gemeinten“ bedeutet? Sind solche Inversionen im Medium des Bildes überhaupt möglich? Und wie wird Ironie angedeutet, welche Ironiesignale kann es geben? In Bezug auf die frühneuzeitliche Bildkunst komme ich zu dem Ergebnis, dass ironische Bildstrategien im Wesentlichen zwei Aspekte aufweisen: Entweder zielen sie auf Komik und erzählen einen „Witz“, oder sie zielen auf Exklusion und dienen dazu, eine esoterische Botschaft für ein ausgewähltes Publikum zu formulieren. Ironie oszilliert zwischen Komik und Hermetik.

Ausgehend von meinen Forschungen zu Dürer, Caravaggio und Rembrandt möchte ich meinen Forschungsaufenthalt in Weimar dazu nutzen, über Ironie im Film nachzudenken. Dafür wird es nötig sein, nach einer Phänomenologie filmischer Komik zu fragen, aber auch das Problem kinematographischer Intertextualität in den Blick zu nehmen. Spätestens seit der Romantik ist Ironie ein Kennzeichen der Moderne. Sie zielt auf Relativität und notwendigen Perspektivwechsel. Ironie kann Entlastung und Reflexion bedeuten. Untersucht werden sollen Effekte des Komischen im frühen Kino, aber auch Filme von Ernst Lubitsch und den Coen-Brüdern. Leitend für die Fragestellung ist die Charakterisierung des Komischen als Wort-, Bild- oder Dingorientiert. Verändert der ironische Scherz die Wahrnehmung der Welt? Schauen die Dinge anders zurück? Welche Art von Aufhebung findet hier statt?

Publikationen

Imitatio artis – Formen künstlerischer Aneignung in der Frühen Neuzeit, München: Fink 2009 (forthcoming).
mit Dietmar Elger (ed.): Sechs Vorträge über Gerhard Richter, Dresden/Köln: Gerhard Richter Archiv/König 2007.
»Een antieckse Laechon«. Ein Beitrag zu Rembrandts ironischer Antikenrezeption, in: Horst Bredekamp et al (ed.): Dissimulazione onesta oder die ehrliche Verstellung. Von der Weisheit der versteckten Beunruhigung in Wort, Bild und Tat, (Martin Warnke zu Ehren. Ein Symposium (2003)), Hamburg: Philo 2007.
mit Jörn Hetebrügge: »Metropolis« als Menetekel der Moderne, in: Winfried Nerdinger (ed.): Architektur wie sie im Buche steht, München: Anton Pustet 2006.
Imitatio oder Dissimulatio? Bemerkungen zu Rembrandts Antiklassizismus, in: Beket Bukovinska/Lubomir Slavicek (ed.): Pictura verba cupit. Essays for Lubomir Konecny, Prague: Artefactum 2006.
Arcana imperii ou l’hermétisme dans l’art à la cour de Rodolphe II: le cas de Hans van Aachen, in: Journal de la Renaissance 2 (2004), p. 223-233.
Remarques sur la poétique cinématographique de Friedrich Wilhelm Murnau, in: Jacques Aumont (ed.): Le septième art. Le cinéma parmi les arts, Paris: L. Scheer 2003.
Der innere Christus. Zur mnemotechnischen Tradition der Passionsandacht und einer mystischen Vergegenwärtigung des Gekreuzigten bei Pieter Bruegel d. Ä., in: Jörg-Jochen Berns und Wolfgang Neuber (ed.): Seelenmaschinen, Wien: Böhlau 2000, p. 605-638.
Das Paradox als Bildform. Studien zur Ikonologie Pieter Bruegels d.Ä., München: Fink 1999.
with Thomas Hensel: What did Lubitsch want to say? L'ex-libris d'Ernst Lubitsch, clé de sa poétique cinématographique, in: Cinémathèque 12 (1997), p. 107-112.
Wit and Image. Zur Deutung von Ernst Lubitschs Ex Libris, in: Im Blickfeld. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, 1 (1994), p. 247-250.
Concordia Pragensis. Karel van Manders Kunsttheorie im Schilder-Boeck (Diss. Bochum 1991), München: Oldenbourg 1993.