Martin Schulz Ehem. Senior Fellow

Martin Schulz
Oktober 2010 - März 2011

Vita

Martin Schulz promovierte 1996 zum Thema »Imi Knoebel. Die Tradition des gegenstandslosen Bildes«. Er habilitierte sich 2006 in der Kunstgeschichte an der Fridericiana Universität Karlsruhe. Er war wissenschaftlicher Koordinator des Graduiertenkollegs »Bild. Körper. Medium. Eine anthropologische Perspektive«. Gastprofessuren führten ihn an die Universitäten Jena, Krems, México, die Kunstakademie Düsseldorf und den Exzellenz-Cluster »Asia and Europe in a Global Context« der Universität Heidelberg. Er ist Autor von »Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft, Fink-Verlag, München 2005 (2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2009).

Stand: 2011

Forschungsschwerpunkte

Modern and contemporary art; cultural studies of pictures and their media (Kulturwissenschaft der Bilder und ihrer Medien); picture and art theory; anthropology of pictures; history of landscape painting.

IKKM Forschungsprojekt

Technik der Bilder und Bilder als (Kultur)Techniken

Ein aktuelles Desiderat der Kunstgeschichte und der sich ihr angliedernden, weiter gefassten, dabei interdisziplinären, interkulturellen und kulturhistorisch orientierten Bildwissenschaft besteht, im Einklang mit dem übergreifenden Forschungsthema des IKKM, darin, das oszillierende Verhältnis zwischen den unterschiedlichen medialen Techniken der Bilder und den Bildern als spezifische, sich überlagernde und einander durchdringende Techniken der Kultur(en) in seiner historischen Vielfalt auszuloten und zu verstehen. Dabei handelt es sich, genau besehen, um die zwei Seiten einer Medaille, die sich wechselseitig bedingen und zwei Facetten des Technischen miteinander vereinen: Technik zum einen im ursprünglichen Sinn der techné als Fähigkeit, List und Kunstfertigkeit, mit bestimmten Medien Bilder herzustellen, sie überhaupt zu materialisieren, zu veräußerlichen, für alle sichtbar und dauerhaft für ein kulturelles Bildgedächtnis zu machen; Technik zum anderen als „Kulturtechnik“ verstanden: als die Fähigkeit und Eigenschaft der Bilder (wie ihrer Produzenten und Rezipienten), sichtbare Imaginationen, Wünsche und Illusionen zu erfinden, Interaktionen mit dem Imaginären und Möglichkeiten der Immersion anzubieten, zugleich Räume der Kommunikation und Repräsentation, aber auch, durchaus im Sinne Aby Warburgs, des (ästhetischen) Denkens, der Distanz, der (Selbst)Reflexion zu schaffen; ferner Anwesenheit an die Stelle von Abwesenheit, Nähe an die Stelle unüberbrückbarer Ferne zu setzen und das Diesseits mit dem Jenseits zu verbinden; sodann Animationen von etwas zu sein, das eigentlich nicht lebendig ist oder in vielen Fällen gar nicht existiert, um nur einige der wesentlichen Kategorien des Projekts zu nennen, das anhand von konkreten Fallbeispielen am IKKM ausgearbeitet werden soll. Daran anzuschließen ist ebenso das, was man, in der Praxis der europäischen Kunst seit der Renaissance schon verankert, als bildlichen Metadiskurs über Bilder verstehen kann, als „selbstbewusste Bilder“ (Stoichita 1998) oder als „Meta-Pictures“ (WJT Mitchell 1994). Schließlich ergibt sich daraus ein dichtes, noch kaum entwirrbares Geflecht historischer, interkultureller und medialer Bezüge und Überlagerungen von Darstellungsmodi, Bildformeln, Bildpraktiken und Bildtechniken einer Ge-Schichte der Kunst auf diachroner wie auf synchroner Ebene: eine „achronologisch geschichtete Materie“, wie Aby Warburg sie bereits nannte; „Anachronismen“ der Bildtechniken, wie sie Georges Didi-Huberman wiederum in Anlehnung an Warburg bezeichnet. Diese Kulturtechniken der Bilder, die wiederum Techniken des Betrachtens bedingen und zugleich voraussetzen, wurden vor allem mit den technischen Leistungen der Neuen Medien explizit. Die leitende Frage des Projekts wird sein, inwieweit die kulturell und sozial besonderen sowie die graduell und materiell sehr verschiedenen Techniken der Bilder sich in konkreten Fallbeispielen zu bestimmten symbolischen Kulturtechniken des Bildes synthetisieren lassen. Im Sinne auch der vielen postkolonialen, kunstethnographischen wie repräsentationskritischen Perspektiven auf die unterschiedlichen visuellen Kulturen unserer Welt soll zugleich der eurozentristische Blick relativiert und in die Komparatistik einer zunehmend globalen Kunstgeschichte integriert werden.

Publikationen

Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft, Fink, München 2005
Imi Knoebel. Die Tradition des gegenstandslosen Bildes, Verlag Silke Schreiber, München 1998
with Birgit Mersmann (ed.), Kulturen des Bildes, Fink, München 2006
with Hans Belting/Dietmar Kamper (ed.), Quel Corps. Eine Frage der Repräsentation, München 2002
Blick und Anblick. Zur symbolischen Ökonomie der TV-Gesichter, in: Jati Röttger and Alexander Jacobs (ed.), Theater und Bild. Inszenierungen des Sehens, Bielefeld 2008, 75 - 94
Die Sichtbarkeit des Todes in der Fotografie, in. Thomas Macho/Kristin Marek (ed.), in: Die neue Sichtbarkeit des Todes, München 2007, 285-313
Ent-Larvung der Bilder. Zum Anachronismus der TV-Gesichter, in: Hans Belting (Hg.), Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch, München 2007, 95-114