Vita
Søren Frank studierte Vergleichende Literaturwissenschaft an der University of Southern Denmark und erwarb 2006 seinen PhD. Er arbeitete seit 2002 als Dozent und ist seit 2007 Juniorprofessor am Institut für Literatur, Kultur- und Medienwissenschaft der University of Southern Denmark. Søren Frank ist Initiator und Leiter der „Gyldendal Lectures of Excellence“ und übernahm 2005 und auch 2008 eine Gastprofessur an der Stanford University.
Stand: 2011
Forschungsschwerpunkte
Der Roman im 19., 20. und 21. Jahrhunderts; Theorie des Romans; Literatur und Migration; Maritime Literatur und Kultur; Salman Rushdie, Günter Grass, Milan Kundera; Ästhetiken des Fußballs
IKKM Forschungsprojekt
„Maritime Moderne“
Traditionelle definierende Topoi der Moderne, wie sie Kritiker wie Marx, Benjamin und Foucault anführen, waren der Nationalstaat, das Zuhause, die Kolonie, die Stadt und die Fabrik. Doch wenngleich sie auch nicht gerade die Gründe hinter diesen „Effekten“ waren, so spielten das Meer und das Schiff doch eine zentrale und häufig vernachlässigte Rolle in den Prozessen der Moderne. In vielerlei Hinsicht ist die terra infirma der See das Gegenteil zur terra firma der oben genannten Topoi und selbst wenn das Schiff mit einer schwimmenden Fabrik verglichen werden kann, wie das in Herman Melvilles Moby-Dick oder: Der Wal (1951) geschieht, so ist das Leben an Bord eines Schiffes doch häufig das Gegenteil des Lebens in einer Fabrik. Während letzteres durch monotone Handarbeiten gekennzeichnet ist, durch feste Hierarchien, Profit und die sich verstärkende Kluft zwischen dem Arbeiter und der Arbeit, wird das Leben an Bord des Schiffes durch Routinearbeiten ebenso wie durch Arbeiten geprägt, deren Anforderungen unvorhersehbar sind, durch extrem hierarchische sowie potenziell demokratische Strukturen, mehr durch das Überleben als den Profit, und durch die Einheit zwischen dem Seemann und seiner Arbeit.
In meinem Projekt werde ich die alternativen Bilder der Moderne zu untersuchen versuchen, die in der maritimen Literatur und Kultur des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts bei Autoren wie Fenimore Cooper, Frederick Marryat, Eugène Sue, Edgar Allan Poe, Herman Melville, Jonas Lie, Holger Drachmann, Joseph Conrad, Aksel Sandemose, Nordahl Grieg, Jens Bjørneboe, Amitav Ghosh und Carsten Jensen präsent sind. Eine fundamentale Verschiebung vollzieht sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts, als das Dampfschiff das Segelschiff ablöst. Nun ist auch das Leben auf See von Mechanik und Routine gekennzeichnet, die „natürliche“ Synchronität oder Konvergenz zwischen Mensch, Schiff und Natur wird durch die Maschine abgelöst und die Arbeit an Bord des Schiffes der Arbeit in der Fabrik ähnlicher. Dennoch ist es charakteristisch für viele der oben genannten Autoren, dass diese, gleichwohl sie zu einer Zeit schreiben, zu der die Dampfmaschine bereits das Segel abgelöst hat, auch über die Ära des Segelschiffes schreiben. So ist viel maritime Literatur in ihrem Rückblick auf eine unschuldigere und heldenhaftere Zeit, die Zeit vor dem Dampfschiff und den geraden Linien über den Ozean, nostalgisch. Im größeren Kontext und der Geschichte der Globalisierung ist der Umstieg vom Segel- zum Dampfschiff signifikant. Kann die Globalisierung als zunehmende Unabhängigkeit von lokalen physischen Räumen und die Eliminierung unseres Körpers von unzähligen Dimensionen unserer Alltagserfahrung charakterisiert werden – verkörpert zum Beispiel durch den Ausbau der Eisenbahnnetze in den Anfangsjahren des 19. Jahrhunderts und das Aufkommen der Computertechnologie im späten 20. Jahrhundert – so steht die Ära des Segelbootes für eine Zeit, in der der menschliche Körper und die räumliche Reibung einen wichtigen Teil der menschlichen Existenz ausmachten. In diesem Sinne kann die maritime Literatur von Melville und Conrad bis hin zu zeitgenössischen Schriftstellern wie Ghosh und Jensen als Kompensation für etwas betrachtet werden, das wir Menschen enttäuscht verloren haben, eine körperliche Existenz an realen physischen und lokalen Orten. Was das Körperliche angeht, so charakterisiert die maritime Literatur das Leben auf dem Schiff einerseits als tiefbefriedigende und ehrenvolle Arbeit, auf der anderen Seite als von Gewalt und Brutalität gekennzeichnet. Im Hinblick auf den Raum wird das Leben auf dem Ozean sowohl als umfassend befriedigende Dimension der menschlichen Existenz wie auch als lebensbedrohliche Erfahrung dargestellt. Die maritime Literatur ist von Paradoxen geprägt – und gleiches gilt für die Moderne.
Publikationen
Bücher
Salman Rushdie: A Deleuzian Reading. Copenhagen: Museum Tusculanum Press, 2011. 288 p.
Migration and Literature: Günter Grass, Milan Kundera, Salman Rushdie, and Jan Kjærstad. New York: Palgrave Macmillan, 2008. 235 p.
Giganternes skuldre: En fortælling om Manchester United. Copenhagen: People’sPress, 2008. 351 p.
Aufsätze
“The Tensions between Domestic Life and Maritime Life in Sea Novels”, in: Images of Coast and Sea. Kiel. 16 p. (forthcoming).
“Is There or Is There Not a Literature of Migration in Denmark?”, in: Wolfgang Behschnitt (ed.): Literature, Language, and Multiculturalism in Scandinavia and the Low Countries. Amsterdam: Rodopi. 26 p. (forthcoming).
“The Seven Seas: Maritime Modernity in Nordic Literature”, in: Tom DuBois and Dan Ringgaard (eds.): The Comparative History of Nordic Literary Cultures: Place, vol. 2. Amsterdam: John Benjamins. 26 p. (forthcoming).
“Globalization, Migration Literature, and the New Europe”, in: Theo D’haen and César Domínguez (eds.): Cosmopolitanism and the Postnational: Literature and the New Europe. 22 p. (forthcoming).
“The Emergence of a Literature of Migration (in Europe): When, Why, What, Where (not)”, in: César Domínguez (ed.): Contemporary Developments in Emergent Literatures and the New Europe. 13 p. (forthcoming).
“The Aesthetic of Elephantiasis: Rushdie’s Midnight’s Children as an Encyclopaedic Novel”, in: Journal of Postcolonial Writing, 46:2 (2010): 188-199.
“Four Theses on Migration and Literature”, in: Mirjam Gebauer and Pia Schwarz Lausten (eds.): Migration and Literature in Contemporary Europe. München: Martin Meidenbauer, 2010: 39-57.
“Territories and Histories: Transgressive ‘Space Travels’ and ‘Time Travels’ in Grass’s Dog Years”, in: Quest, 2 (2006): 20 p.