Stefanie Klamm Ehem. Research Fellow

Stefanie Klamm
November 2011 - Oktober 2012

Vita

Stefanie Klamm ist seit November 2011 Research Fellow am IKKM im Rahmen des Programms »Werkzeuge des Entwerfens«. Sie studierte Geschichte, Klassische Archäologie, Kulturwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Universiteit van Amsterdam. Von 2006 bis 2011 verfolgte sie ein Dissertationsvorhaben zur Geschichte archäologischer Visualisierung (»Bilder des Vergangenen. Strategien archäologischer Visualisierung im 19. Jahrhundert«) am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin und am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Als assoziiertes Mitglied des NFS Eikones in Basel war sie im Herbst 2007 am Lehrstuhl für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich zu Gast. Sie erhielt 2009 ein Stipendium der Gerda-Henkel-Stiftung und war 2009/2010 Predoctoral Fellow des Getty Grant Program, Los Angeles. Zuletzt war sie 2010/2011 Fellow in der Cross Sectional Group »Cultural Theory and its Genealogies« am Excellence Cluster »Topoi« (»The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations«) an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ihre Forschungsschwerpunkte und –interessen umfassen die Geschichte der Archäologie, die Geschichte der Fotografie sowie visuelle Praktiken in den Wissenschaften, Museums- und Sammlungsgeschichte und die Kulturgeschichte der Pflanzen.

Stand: 2012

Forschungsvorhaben am IKKM

Schaffen aus der Absenz - Das archäologische Modell als Forschungsinstrument

Wie entstehen aus bloßen Spuren verfallenen Materials Entwürfe vergangenen Lebens? Ziel des Projektes ist es, die Eigenmächtigkeit archäologischer Modelle von Ausgrabungsstätten wie sie am Ende des 19. Jahrhunderts aufkamen, als Ausdruck und Reflexionsform archäologischer Methoden und in der Konzeptionalisierung des Grabungsplatzes in der dritten Dimension zu zeigen. Der Schwerpunkt der Forschung liegt dabei auf Fundplätzen ohne deutliche Steinstrukturen, und damit auf von der Abwesenheit der materiellen Vergangenheit im Besonderen gezeichnete Orte: den prähistorischen Siedlungen in Nordeuropa.

Besonders eindrückliche Quellen für die Simulation des Abwesenden sind Modelle der Grabung prähistorischer Siedlungen, versuchen sie doch, Phänomenen Raum zu geben, die nur in Spuren vorhanden sind, durch Ausgraben zerstört und nur durch mediale Einschreibungen gedacht werden können. In diesem Sinne stellen sie nicht dar, sondern entwerfen erst vorgeschichtliche Siedlungsstrukturen. Ihr Entwurf und die damit verbundenen Praktiken (Zeichnen, Fotografieren, Modellieren mit Ton, Konstruieren mit Holz, Präparieren von Bodenproben) konnte daher die Wahrnehmung der Ausgrabungsstätte außerordentlich beeinflussen.

Erst aus dem Mangel an materiell eindeutigen Überresten von prähistorischen Siedlungen gingen neue Modelle, Interpretationsweisen und experimentelle Untersuchungen zur vorgeschichtlichen Bebauung hervor. Die Modelle vereinten die sehr komplexen Informationen der Ausgrabungsberichte und lösten gleichzeitig eine Kette von verschiedenen Übersetzungen und Bezügen zwischen zwei- und dreidimensionalen Medien aus. Sie wurden so wirkmächtige Akteure im Prozess der Wissensbildung und der Auseinandersetzung um die archäologische Interpretation der Überreste.

Diese Fragen sind nicht nur für das 19. Jahrhundert relevant: Die Konjunktur virtueller 3D-Modelle antiker Bauten, Landschaften und Siedlungsräume in der Archäologie erlaubt Bezüge und Vergleiche mit der Gegenwart. Dort werden häufig Konstruktionsprozesse in black boxes verwandelt und deren inhärente Annahmen externalisiert. Gerade durch die Unsichtbarkeit ihrer Vorannahmen entfalten diese Modelle eine starke Eigendynamik. Dabei bieten doch die virtuellen Modelle archäologischer Stätten gerade auch die Abbildung von Unschärfe an, die die verschiedenen Grade der Rekonstruktion deutlich werden lassen. Sie können so unsicheres Wissen präsentieren, gleichzeitig einen vergangenen Ort entwerfen, aber auch Experimentierraum bleiben, der die sich dadurch manifestierenden Erkenntnisse nicht festschreibt.

Aufsätze (Auswahl)

Linie – Form – Raum: über wissenschaftliche Bilder antiker Skulpturen, in: Jörg Probst (Hg.), Reproduktion. Techniken und Ideen von der Antike bis heute, Berlin 2011, S. 138-155.
Ruinenwahrnehmungen, in: Ludger Derenthal, Christine Kühn (Hg.), Ein neuer Blick. Architekturfotografie aus den Staatlichen Museen zu Berlin, Tübingen, Berlin 2010 (Ausstellungskatalog, Museum für Fotografie Berlin), S. 18-21.
Neue Originale – Medienpluralität in der Klassischen Archäologie des 19. Jahrhunderts, in: Horst Bredekamp, Tatjana Bartsch, Marcus Becker, Charlotte Schreiter (Hg.), Das Originale der Kopie. Kopien als Produkte und Medien der Transformation von Antike, Berlin 2010, S. 47-67.
Sammeln – Anordnen – Herrichten: Vergleichendes Sehen in der Klassischen Archäologie, in: Lena Bader, Martin Gaier, Falk Wolf (Hg.), Vergleichendes Sehen, München 2010, S. 383-405.
Vom langen Leben der Bilder. Wahrnehmung der Skulptur und ihrer Reproduktionsverfahren in der Klassischen Archäologie des 19. Jahrhunderts, in: Pegasus – Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike 9 (2007), S. 209-228.
Bilder im Wandel. Der Berliner Archäologie Reinhard Kekulé von Stradonitz und die Konkurrenz von Zeichnung und Fotografie, in: Jahrbuch der Berliner Museen 49 (2007), S. 115-126.