Vita
Steven Connor hat ab 1973 englische Literatur am Wadham College, Oxford studiert; seinen Doktor erhielt er 1980 ebenfalls in Oxford. Er wurde 1980 Dozent für englische Literatur am Birkbeck College, London wo er ab 1994 Professor für moderne Literatur und Theorie war. Von 2003 bis 2012 war er akademischer Direktor des „London Consortium Graduate Programme in Humanities and Cultural Studies“, einer Kollaboration von akademischen und kulturellen Institutionen in London, die Doktoranden mit interdisziplinären Forschungsprojekten gefördert und unterstützt hat. Seit 2012 ist er Grace 2 Professor of English in Cambridge.
Stand: 2018
Forschungsfelder
Meine Forschungsinteressen liegen insbesondere in der Literatur und Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts, wenn auch einige Projekte größere historische Zeiträume behandeln. Meine Interessensgebiete beinhalten magisches Denken; die Geschichte der Medizin; das kulturelle Leben von Objekten und das materielle Imaginäre; die Beziehungen zwischen Kultur und Wissenschaft; die Philosophie der Tiere; Körper, Sinne und Sexualität; Literatur, Zahlen und Ökonomie; Literatur und Technologie; die Geschichte von Klang, Stimme und auditiven Medien. Ich habe ebenfalls über zeitgenössische Kunst für die Zeitschriften Cabinet, Tate Etc, Modern Painters u.a. geschrieben; zudem trete ich regelmäßig in Radiosendungen auf.
IKKM Forschungsprojekt
Eine Sache des Wissens: Epistemopathie und Epistemokratie
Als eine Untersuchung der Formen unserer Pflege des Wissens – eine Pflege, die sich ebenso weit wie unsere Selbstbezeichnung als „homo sapiens“, den wissenden Hominiden, erstreckt – ist das, was ich als Epistemopathie bezeichne, eine Erforschung der Erfahrung des Wissens und der Qualität unseres Bewusstseins dafür. Wo die Epistemologie die Frage, was wir über das Wissen wissen, behandelt, erörtert die Epistemopathie hingegen die Frage, was wir über das Wissen fühlen. Sie behandelt die Idee des Wissens, den Wert, dem wir ihm zuschreiben, die Gefühle, die wir in es investieren, und das starke Begehren, die Furcht, die Aggressionen und Fantasien, zu denen es anregt. Was fühlen und fürchten wir am Wissen? Was sind die Träume und Fantasien (und Schrecken) die wir damit verbinden? Wie sprechen und schreiben wir davon, welcher soziale Umgangston und welche Stimmungen werden über und durch das Wissen vermittelt? Wie, wann und wo begegnen wir ihm? Wie formt es uns, wie infiziert oder flektiert es andere Dinge? Wie „existieren“ wir Wissen, um eine Sartre’sche Formulierung zu benutzen? Welche Formen einer „Libido der Zugehörigkeit“ (Serres) werden durch den Drang, zu wissen, kanalisiert? Wie formt und modifiziert die Jagd nach dem Wissen den Raum?
Während der Zeit am IKKM werde ich den aktuellen Zustand unserer Beziehung zum Wissen und die Möglichkeiten und Gefahren einer Epistemokratie, in der nur noch das Wissen zählt, untersuchen. Ich möchte am IKKM meine Untersuchung der Beziehung zwischen affektiven Landschaften des Wissens und Informations- und Kommunikationstechnologien weiterentwickeln. Wenn Wissen immer schon mit Apparaten der Informationsspeicherung, - verarbeitung und -übertragung verstrickt ist, wie verändern sich dann unsere Gefühle über das Wissen und uns selbst als wissende Wesen oder „sujets-supposés-savoir“ (Lacan) mit der Übertragung und Abtretung von immer mehr kognitiven Tätigkeiten an Instrumente und mediale Einrichtungen? Fragen der affektiven Form und Funktion des Wissens erscheinen besonders hervorstechend unter Bedingungen, in denen zeitgenössische Medien einen stark erweiterten Informationsraum und eine starke Intensivierung von Produktion und Transport emotionaler Bindung und Entzündung simultan verfügbar machen. Wissen und fühlen scheinen immer stärker miteinander verbunden und sogar vermischt zu sein, wenn unsere zeitgenössischen Medien und Maschinerien des Wissens vor allem Medien und Maschinerien eines Traum-Gefühls sind. Weil eine Epistemokratie von einer stark erweiterten Produktion und Zirkulation von Ideen, Bildern und Fantasien über das Wissen selbst abhängt oder zumindest darin resultiert, muss die traditionelle Idee (die selbst phantasmatisch ist), dass Rationalität als ein Gegenpol zum Gefühl betrachtet werden sollte, einer Welt, in der Wissen einer immer dichteren Affektsättigung unterworfen ist und wo das Verstandesmäßige zunehmend zu einem Modus des Fühlens wird, weichen. Ich möchte die Bedingung von Quasi-Affekt-Zuständen untersuchen, die von zeitgenössische Medien produziert werden und die, intensiv und ansteckend in der Übertragungsgeschwindigkeit, bisher seltsamerweise noch ungefühlt sind.
Jüngste Publikationen
Bücher (2014-2018)
Beyond Words: Sobs, Hums, Stutters and Other Vocalizations (London: Reaktion/Chicago: University of Chicago Press, 2014)
Beckett, Modernism and the Material Imagination (Cambridge: Cambridge University Press, 2014)
Living By Numbers: In Defence of Quantity (London: Reaktion/Chicago: University of Chicago Press, 2016)
Dream Machines (London: Open Humanities Press, 2017)
The Madness of Knowledge (London: Reaktion, forthcoming 2018)
Essays (2014-18)
'Rustications: Animals in the Urban Mix', in The Acoustic City, ed. Matthew Gandy and B.J. Nilsen (Berlin: Jovis, 2014), pp. 16-22
‘Spellings Things Out’, New Literary History, 45 (2014): 183-97
‘ “Was That a Point?” Beckett’s Punctuation’, in The Edinburgh Companion to Beckett and the Arts, ed. S.E. Gontarski (Edinburgh: Edinburgh University Press, 2014), pp. 269-81
'Scilicet: Kittler, Media and Madness', in Kittler Now: Critical Perspectives in Kittler Studies, ed. Stephen Sale and Laura Salisbury (Cambridge and Malden MA: Polity, 2015), pp. 115-31
'Guys and Dolls', Women: A Cultural Review, 26 (2015): 129-41
‘Literature, Technology and the Senses’, in The Cambridge Companion to the Body in Literature, ed. David Hillman and Ulrika Maude (Cambridge: Cambridge University Press, 2015), pp. 177-96
‘Choralities’, Twentieth-Century Music, 13 (2016): 3-23
'Vocus Pocus', in This Is A Voice: 64 Exercises to Train, Project and Harness the Power of Your Voice, ed. Jeremy Fisher and Gillyanne Kayes (London: Profile, 2016), pp. 6-16
'Numbers It Is: The Musemathematics of Modernism', in Moving Modernisms: Motion, Technology, and Modernity, ed. David Bradshaw, Laura Marcus and Rebecca Roach (Oxford: Oxford University Press, 2016), pp. 98-109
'The Game of Work: Ai Weiwei and Wittgenstein', Ai Wewei: Cubes and Trees (Cambridge: Heong Gallery, Downing College, 2016), pp. 23-7
'Decomposing the Humanities', New Literary History, 47 (2016): 275-88
‘How To Do Things With Writing Machines’, Writing, Medium, Machine: Modernist Technographies, ed. Sean Pryor and David Trotter (London: Open Humanities Press, 2016), pp. 18-34
'The Return of Finitude', Textual Practice, 30 (2016), 1165-6
‘Modernism After Postmodernism’, The Cambridge History of Modernism, ed Vincent Sherry (Cambridge: Cambridge University Press, 2017), pp. 820-34
'Two-step, Nerve-tap, Tanglefoot: Tapdance Typologies in Cinema', in Sounding Modernism: Rhythm and Sonic Mediation in Modern Literature and Film, ed. Julian Murphet, Helen Groth and Penelope Hone (Edinburgh: Edinburgh University Press, 2017), pp. 211-27