Vita
Wolfgang Pircher ist Assistenzprofessor am Institut für Philosophie der Universität Wien. Nach einer Ausbildung in elektrischer Nachrichtentechnik und Elektronik, studierte er Volkswirtschaftslehre und Philosophie und promovierte 1983 in Philosophie an der Universität Wien. Von 1993 bis 1998 war er am Projekt "Von der politischen zur reinen Ökonomie" der Wirtschaftsuniversität Wien beteiligt. Er war Gastprofessor an der Technischen Universität Wien, sowie Gastwissenschaftler am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin und am Graduiertenkolleg Mediale Historiographien in Weimar. Zudem ist er auch als Kurator tätig und war für Konzept und Realisierung des wissenschaftshistorischen Teiles der Ausstellung "WUNDERBLOCK. Eine Geschichte der modernen Seele" (Wiener Festwochen 1989), sowie den kulturgeschichtlichen Teil der Ausstellung "Sozialmaschine Geld" (Linz, Centrum für Gegenwartskunst, 1999/2000) verantwortlich. Pircher ist Mitglied des Netzwerkes „Wissen im Entwurf. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Forschung“, einer institutsübergreifende Forschungsinitiative des Max Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte Berlin und des Kunsthistorischen Instituts in Florenz.
Stand: 2011
Froschungsschwerpunkte
Technologiegeschichte und -philosophie (insbesondere die Genealogie des Ingenieurs); die Wirtschaftsgeschichte und -philosophie (einschließlich der Geschichte des Geldes und seiner Verwendung)
IKKM Forschungsprojekt
Der Raum des Geldes
Wenn Geld etwas ist, das zirkulieren kann, dann stellt sich die Frage, in welchem Raum es sich bewegt. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher, dass „Geld nicht nur eine Geografie besitzt; Geld selbst ist eine Geografie“ (Leyshon/Thrift, eigene Übersetzung). Das bedeutet, dass Raum für das Geld eine Bedeutung hat. Es gibt ein Wechselspiel zwischen Geld, Raum und Ort. Jede Geldform hat nicht nur ihre eigene Geografie, sondern schafft auch einen spezifischen Raum, der eine räumliche Beschreibung im globalen Raum ist. So schafft das Geld, ganz ähnlich wie Medientechniken, Ausgrenzungen, und es ist nicht weiter verwunderlich, dass sie häufig kombiniert werden. Finanzströme werden notwendigerweise durch die Zirkulation von Finanzdokumenten begleitet. Wechsel sind ein gutes Beispiel für ein frühes Kommunikationssystem, das Banken und Händler in weit voneinander entfernten Städten durch den Postverkehr miteinander verband. Wechsel waren nicht nur Zahlungsmittel, sondern zugleich eine Form des Kredits. So entsteht eine besondere Konfiguration von Raum und Zeit. Technische Innovationen wie der elektrische Telegraf waren deshalb außerordentlich bedeutend: ihm kam bei der Entstehung eines integrierten internationalen Geldmarktes zentrale Bedeutung zu. Virtuelles Geld oder Kontoguthaben fließt sofort durch die Kanäle der modernen elektronisch vermittelten Telekommunikation, die eine komprimierte elektronische Geografie bilden. Dieser strukturierte Raum des virtuellen Geldes ist eine Kommunikation von Buch zu Buch, statt von Angesicht zu Angesicht. Dabei steht das Buch hier auch für einen elektronischen Datensatz. Es handelt sich mehr oder minder um ein Buchhaltungssystem, in dem virtuelles Geld zirkuliert. Ein Buchhaltungssystem, das nicht länger privat oder national, sondern stattdessen weltweit ist. Das führte zu der Annahme, dass der sogenannte globale Markt in miteinander verbundene Räume spezifischer ökonomischer Aktivitäten unterteilt ist. Eine Aufgabe dieses Projektes ist es, eine Idee davon zu vermitteln, wie die Geldströme diese unterschiedlichen Bereiche miteinander verbinden und welche Rolle der dazu eingesetzten Medientechnologie zukommt. Ich werde einige historische Beispiele in den Vordergrund rücken, um zu zeigen, wie streng technologische und administrative Bedingungen und Entwicklungen in diesem Fall miteinander in Verbindung stehen. Seit den Anfängen der menschlichen Zivilisation war Geld (im weitesten Sinne) ein Element kultureller Techniken wie der Buchhaltung und des Schreibens, das einen spezifischen Handlungsrahmen bildet. Dieser Rahmen deckt manchmal einzelne Orte, manchmal ganze Gebiete ab.
Publikationen
Monographien
Kulturtechnik Geld: Über den zivilisatorischen Wert einer sozialen Erfindung. Zürich/Berlin: diaphanes 201.0
Herausgaben
with Marianne Kubaczek and Eva Waniek: Kunst, Zeichen, Technik. Philosophie am Grund der Medien. Münster: LIT Verlag 2004 .
with Alessandro Barberi: Historische Medienwissenschaft. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 13. Jg., Heft 3/2003.
with Martin Treml: Tyrannis und Verführung. Wien: Turia & Kant 2000.
Sozialmaschine Geld. Kultur. Geschichte. Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung im O.K Centrum für Gegenwartskunst Oberösterreich (3.12.1999 - 2.3.2000). Frankfurt a.M.: Anabas 2000.
Artikel
with Marianne Kubaczek: "Dynamische Spuren: Zeichnen und Aufzeichnen von Bewegung". In: Friedrich Teja Bach, Wolfram Pichler (eds.): Öffnungen: Zur Theorie und Geschichte der Zeichnung. München: Fink Verlag 2009, p. 261-283.
"Anschaulicher Kapitalismus: Über Kurven in der ökonomischen Theorie". In: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, 64. Jg., Nr. 1-2 (2009), p. 3-9.
"Entwerfen zwischen Raum und Fläche": In: Daniel Gethmann and Susanne Hauser (eds.): Kulturtechnik Entwerfen: Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science. Bielefeld: transcript Verlag 2009, p. 103-119.
"On the Construction of Worlds: Technology and Economy in European Utopias". In: Jörn Rüsen, Michael Fehr and Thomas W. Rieger (eds.): Thinking Utopia: Steps into Other Worlds. New York/Oxford: Berghahn Books 2005, p. 67-86.
"Geld und Zahl: Zum kulturellen Wert des Rechnens". In: Tobias Nanz, Bernhard Siegert (eds.): ex machina: Beiträge zur Geschichte der Kulturtechniken. Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 2006, p. 87-113.
"Das Wissen des Kapitals und der Software-Anarchismus: Ein Kommentar zum GNU- Manifest von Richard Stallman". In: Claus Pias (ed.): Zukünfte des Computers. Zürich/Berlin: diaphanes 2005, p. 207-21 5.
"Die Perspektiven der Zeichnung". In: Marianne Kubaczek, Wolfgang Pircher, Eva Waniek (eds.): Kunst, Zeichen, Technik: Philosophie am Grund der Medien. Münster: LIT Verlag 2004, p. 127-146 .
"Markt oder Plan? Zum Verhältnis von Kybernetik und Ökonomie". In: Claus Pias (ed.): Cybernetics – Kybernetik: The Macy-Conferences 1946-1953, Vol. 2, Essays & Dokumente. Zürich/Berlin: diaphanes 2004, p. 81-96.
"Das Schöne und das Nützliche: Historische Anmerkungen zu Architektur und Ingenieurskunst". In: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, 58. Jg., Nr. 1-2 (2003), p. 32-38.
with Christa Kamleithner: "Der von Gott verlassene Baubetrieb". In: Annett Zinsmeister (ed.): Plattenbau oder Die Kunst, Utopie im Baukasten zu warten. Hagen: Karl-Ernst-Osthaus Museum 2002, p. 9-25.