1. Rahmen/Nähen
(2014-2015)

Die Unterscheidung einer Bildfläche von ihrem Umfeld durch die Rahmung ist eine grundlegende bildkonstitutive Operation. Das Paradigma der Bildrahmung verweist aber auch auf analoge Wirklichkeit konstituierende Operationen in anderen Bereichen als dem des Bildes. Die Rahmung ist eine auch im realen gebauten Raum wirksame Unterscheidung zwischen Innen und Außen, Heiligem und Profanem, Privatem und Öffentlichem, zwischen Territorien und Nationen, die nicht selten mit Bildakten gekoppelt ist. Untersucht werden hier deshalb zunächst Rahmungs- und Kadrierungsvorgänge aller Art, ausgehend von den Rahmungen in der Bildgebung von der Malerei bis zu den digitalen Bildern und der Fensterhandhabung der Bildschirmoberfläche, von architektonischen Rahmungen, von technischen und institutionell-politischen Grenzregimen und von symbolisch-kulturell relevanten Rahmungspraktiken wie Kleidercodes und Verhaltensregulierungen: Durch die trennende Rahmung werden die getrennten Bezirke in all diesen Fällen jeweils erst erzeugt. Soziologisch werden alle Interaktions- und Kommunikationssituationen über (beispielsweise institutionelle) Rahmungen hervorgebracht wie umgekehrt, situativ, diese durch jene. Zugleich mit der Rahmung ist auch stets die Möglichkeit der Verschiebung, Verdopplung, Überschreitung und Durchbrechung des Rahmens gegeben (wie etwa beim Trompe-l’Œil). Im Vorgang des Rahmens werden das jeweils Ein- und das Ausgeschlossene auch in Zusammenhänge und Übergänge gestellt. Dies wird beispielhaft etwa am bewegten Bild mit seinem flexiblen cache in der Relation von Bildfeld und Umfeld sichtbar. Es ist aber für alle Bilder und überhaupt sämtliche Rahmungsvorgänge virulent.

Eine dem Rahmen gegenüber polare, aber weit weniger eingeführte Öffnungs- und Schließungsoperation ist das Nähen. Während das Rahmen auf der Seite der Trennung ansetzt, ist im Nähen das Zusammenfügen des Verschiedenen die primäre Operation. Die Grenze zwischen Naht und Rahmen bildet der Saum. Wo Rahmungen entweder in der Fläche oder im Raum wirksam sind, ist es das topologische Charakteristikum der Nähte, die Überführung zwischen zweidimensionaler, offener Oberfläche des Stoffes und dreidimensionalem, geschlossenem Körper der Kleidung zu leisten. Dies gilt auch noch für die in der Filmtheorie seit langem als Begriff etablierte suture zwischen den flächig gegebenen Bildräumen und den dreidimensionalen Realräumen der Betrachter_innen. Beide Operationen erzeugen einerseits geschlossene (Ober-)Flächen und Räume, die sie jedoch andererseits wieder aufbrechen und überschreiten, entgrenzen und öffnen können. Verfahren des Zusammenfügens und Aufbrechens werden hier ausgehend von konkreten textilen Praktiken bis hin zu Collage- und Montageästhetiken untersucht. Das Vernähen und das Aufreißen von Nähten gehört indes auch zum Kern fetischistischer Begehrensstrukturen und Objektkonstitutionen. Diese dürfen keineswegs auf das Feld der Sexualität beschränkt werden; sie sind auch überall dort anzutreffen, wo es um Offenbarungs- und Wahrheitsgeschehen geht. Der Fetischismus gibt die unbewusste Logik ab für die Verschiebung des in der Repräsentation Repräsentierten – das als abwesend vorgestellt werden muss –, auf das Medium. Vernähung und Vernarbung sind in der sakralen Kunst vielfach enggeführt, um das fetischistische Spiel zwischen Identität und Differenz von Wunde und Naht, Fleisch Christi und Fleisch des Bildes, Bildwerdung und Fleischwerdung zu intensivieren und zur Wahrheit des Bildes zu machen.