Barbara Wittmann ehem. Junior-Direktorin und Leiterin des Reseacrh-Fellow-Programms "Werkzeuge des Entwerfens"

Barbara Wittmann

Vita

Barbara Wittmann, geboren 1971 in Wien, studierte Kunstgeschichte in Wien und Berlin. Promotion 1999 an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit zu Édouard Manets Portraitwerk (»Gesichter geben. Édouard Manet und die Poetik des Portraits«). Von 1999 bis 2003 war sie wissenschaftliche Assistentin am Fach Kunstgeschichte der Universität Trier, im Sommersemester 2003 Gastdozentin an der Technischen Universität Istanbul. Von 2003 bis 2005 arbeitete sie als Gastwissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin (gefördert durch ein Stipendium der Gerda Henkel Stiftung und einen Preis des IFK Wien), von Herbst 2005 bis Sommer 2006 als Postdoc-Stipendiatin am Kunsthistorischen Institut in Florenz (Max-Planck-Institut). Während dieser Zeit konzipierte und beantrage sie gemeinsam mit Christoph Hoffmann und Hans-Jörg Rheinberger die institutsübergreifende Forschungsinitiative »Wissen im Entwurf. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Forschung«, in deren Rahmen sie von September 2006 bis Juni 2010 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin tätig war.

Von Juni 2010 bis 2013 war Barbara Wittmann Juniorprofessorin für Medien des Entwerfens an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar und leitet am IKKM das Research Fellow Programm »Werkzeuge des Entwerfens«.

Forschungsvorhaben am IKKM

Was vom Zeichnen blieb. Fallstudien zum graphischen Entwerfen in der Gegenwart

Am Beispiel von Fallstudien aus dem Bereich der Architektur, des Design, der bildenden Kunst, der Archäologie und der Biologie soll das Fortbestehen des vermeintlich veralteten Mediums Zeichnung untersucht werden. Denn obwohl der graphische Entwurf in den genannten Bereichen deutliche Veränderungen seiner Verfahrensweise erfahren hat, fungiert er weiterhin als Werkzeug der Exkursion in unbekannte Gebiete. Sicherlich wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Sicherung und Analyse von Phänomen, ja sogar die Entwicklung neuer Formen zunehmend von mechanischen und digitalen Medien übernommen. Das – zumindest partielle – Überleben des graphischen Entwurfs erklärt sich aus der Flexibilität und dem vergleichsweise bescheidenen materiellen Aufwand des Zeichnens. Allerdings hat die Konkurrenz mit apparativen Verfahren den Gebrauch von Stift und Papier deutlich modifiziert und eingeschränkt: Die Handzeichnung ging verschiedenste Formen von Medienassemblage mit Digitalkamera, CAD und Bildbearbeitungsprogrammen ein, wobei die Entwicklung von Hybriden wie dem drawing pad auf eine charakteristische Logik der Verschränkung von alten und neuen Medien hinweist.

Im Zentrum des Projekts steht also die Veränderung der internen Logik des Zeichnens durch die Zusammenarbeit mit modernen bildgebenden Techniken. Selbst in Fällen, in denen sich eine große Kontinuität der graphischen Konventionen beobachten lässt, wie beispielsweise im Fall des explorativen Zeichnens am Mikroskop, haben sich die Ausstattung der Labore, die Zurichtung der Präparate und die Objekte des Wissens in den letzten 150 Jahren so radikal verändert, das nicht von einem bloßen Überleben der Handzeichnung, sondern von einer veritablen ›Wiedererfindung‹ des Mediums auszugehen ist. Über die Bestandsaufnahme des graphischen Entwerfens hinaus, zielt das Projekt auf eine Bestimmung des Dispositivs Zeichnung als heterogenes Ensemble von Materialien, Praktiken, Vorrichtungen, Institutionen und schließlich Diskursen, das regelt was zur Anschauung kommen und was gedacht werden kann.

Bedeutungsvolle Kritzelei. Die Kinderzeichnung im psychologischen Experiment, 1880-1950

Die Etablierung der Kinder- und Entwicklungspsychologie um 1900 wurde von Techniken der Beobachtung vollzogen, die die wissenschaftliche Aufmerksamkeit von der Erziehung und Sorge um das Kind abkoppelten. Eine dieser Techniken fanden Psychologen und Psychoanalytiker wie James Mark Baldwin, William Stern, Melanie Klein und Jean Piaget in der Experimentalisierung und Analyse der Kinderzeichnung. Sie wurde dabei zumeist als ein Medium verstanden, das Wahrnehmungen, Begabungen und Konflikte dokumentiert, die das Kind selbst (noch) nicht sprachlich artikulieren kann. Mehr noch als das Spiel und die Phantasie- und Lügengeschichten sollte die Zeichnung Auskunft geben über Intelligenz und Raumwahrnehmung, über psychische Disposition und psychoanalytische Ätiologie, über soziale Integration und Handlungsfähigkeit der Kinder.

Am Beispiel dieser wissenschaftlichen Praxis stellt sich die Frage nach der Konturierung des Begriffs papertool (Ursula Klein) in besonderer Schärfe: Zum einen, weil sich die Kinderzeichnung als ›psychographisches‹ Instrument nicht auf die Logik des Zeichenvorgangs reduzieren lässt – auch wenn der graphische Eigenwille des Kindes im Experiment oder Test nur allzu deutlich sichtbar wird. Das Papierinstrument konstituiert sich in diesem Fall im Zusammenspiel/im Konflikt der Aktivität des Kindes, der medialen Bedingungen der Zeichnung und externen Faktoren wie dem experimentellen Setting, den Spielregeln des Tests, flankierenden Maßnahmen wie statistischer Auswertung oder auch der Modellierung der zeichnenden Hand nach der Logik anderer Apparate wie beispielsweise den Kurvenschreibern der méthode graphique. Zum anderen ermöglicht dieser Spezialfall die Entwicklung eines Begriffs von der Instrumentalität des Zeichnens, der weder den Prozess dem Produkt opfert, noch umgekehrt das Ergebnis dem Procedere, denn es gehört zur spezifischen Verfahrenslogik der Zeichnungsexperimente, -tests und -therapien, dass das Zeichnen sowohl als Geste als auch als Datum – und insbesondere in der Deutung des einen durch das andere – Signifikanz gewinnt, ja darin die zentrale epistemologische Relevanz der ›Psychographismen‹ zu vermuten ist.

Mehr Information zum Projekt

Publikationen

Monographie

Gesichter geben. Édouard Manet und die Poetik des Portraits, München: Wilhelm Fink Verlag, 2004.

Herausgeberschaften

Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher (Hg. zus. mit Johannes Endres und Gerhard Wolf), Reihe: Bild und Text, München: Wilhelm Fink Verlag, 2005.
Spuren erzeugen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Selbstaufzeichnung (Hg.), Reihe »Wissen im Entwurf«, Bd. 2, Zürich, Berlin: diaphanes, 2009.

Reihenherausgeberschaft

Wissen im Entwurf (Hg. zus. mit Christoph Hoffmann), Zürich, Berlin: diaphanes, seit 2008.

Aufsätze

Der gemalte Witz: Giovan Francesco Carotos »Knabe mit Kinderzeichnung«, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 50 (1997), S. 185-206.
Zacharie Astruc: Das Porträt als modernes Bildkonzept, in: Rudolf Preimesberger, Hannah Baader und Nicola Suthor (Hg.), Porträt, Berlin: Reimer, 1999, S. 409-415.
Edouard Manets Poetik der Gabe, in: Kritische Berichte 29 (2001), H. 4, S. 39-52.
Die maskierte Maske: Zur Nacktheit des europäischen Gesichts und ihren Folgen für die Porträtkunst, in: Richard Hüttel (Hg.), Jedem seine Maske: Graphische Künstlerbildnisse vom 16. bis zum 19. Jahrhundert (Ausstellungskataloge Trierer Bibliotheken 33), Dom- und Diözesanmuseum Trier, in Zusammenarbeit mit der Graphischen Sammlung der Universität Trier, 2002, S. 11-21.
Le temps retrouvé. Claude Monets »Getreideschober« zwischen Impression und Nachträglichkeit, in: Karin Gludovatz und Martin Peschken (Hg.), Momente im Prozess. Zeitlichkeit künstlerischer Produktion, Berlin: Reimer, 2004, S. 211-226.
Critica d’arte scarabocchiata, verso il 1500 / Art Criticism Scribbled, around 1500, in: Les enfants terribles: Il linguaggio dell’infanzia nell’arte, 1909-2004 / The Language of Childhood in Art, 1909-2004 (Ausstellungskatalog Museo Cantonale d’Arte), Lugano: Silvana Editoriale, 2004, S. 28-41.
Edouard Manet, Bildnis Emile Zola, in: Kunsthistorische Arbeitsblätter 12 (Dezember 2004), S. 29-36. Zeichnen, im Dunkeln. Psychophysiologie einer Kulturtechnik um 1900, Preprint des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte, Nr. 291, MPIWG: Berlin, 2005.
Sofonisba Anguissola: Bernardino Campi malt Sofonisba Anguissola, um 1559, in: Ulrich Pfisterer und Valeska von Rosen (Hg.), Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart: Reclam, 2005, S. 64-65.
Gustave Courbet: Die Begegnung (Bonjour Monsieur Courbet!), 1854, in: Ulrich Pfisterer und Valeska von Rosen (Hg.), Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart: Reclam, 2005, S. 124-125.
Pablo Picasso: Selbstbildnis mit Palette, 1906, in: Ulrich Pfisterer und Valeska von Rosen (Hg.), Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart: Reclam, 2005, S. 146-147.
Einleitung, in: Johannes Endres, Barbara Wittmann und Gerhard Wolf (Hg.), Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher, München: Wilhelm Fink Verlag, 2005, S. VII-XVII (zus. mit Johannes Endres und Gerhard Wolf).
Textile Schwellenräume, in: Johannes Endres, Barbara Wittmann und Gerhard Wolf (Hg.), Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher, München: Wilhelm Fink Verlag, 2005, S. 185-191.
Vom Tuch der Gespenster, in: Johannes Endres, Barbara Wittmann und Gerhard Wolf (Hg.), Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher, München: Wilhelm Fink Verlag, 2005, S. 301-308.
Das reflexive Lotterbett. Vom sozialen Leben der Couch in 22 Bildern, in: Lydia Marinelli (Hg.), Die Couch. Vom Denken im Liegen (Ausstellungskatalog Sigmund Freud-Museum Wien), München: Prestel, 2006, S. 78-101.
Am Anfang. Theorien des Kritzelns im 19. Jahrhundert, in: Friedrich Weltzien (Hg.), Von selbst. Autopoietische Verfahren in der Ästhetik des 19. Jahrhunderts, Berlin: Reimer, 2006, S. 141-154.
Zeichnen, im Dunkeln. Psychophysiologie einer Kulturtechnik um 1900, in: Werner Busch, Oliver Jehle und Carolin Meister (Hg.), Randgänge der Zeichnung, München: Wilhelm Fink Verlag, 2007, S. 165-186.
Tanz· Skulptur· Degas, in: Hannah Baader, Ulrike Müller Hofstede, Kristine Patz und Nicola Suthor (Hg.), Im Agon der Künste. Paragonales Denken, ästhetische Praxis und die Diversität der Sinne, München: Wilhelm Fink Verlag, 2007, S. 466-490.
Das Porträt der Spezies. Zeichnen im Naturkundemuseum, in: Christoph Hoffmann (Hg.), Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung, Reihe »Wissen im Entwurf«, Bd. 1, Zürich, Berlin: diaphanes, 2008, S. 47-72.
Linkische und rechte Spiegelungen. Das Kind, die Zeichnung und die Geometrie, in: Wolfram Pichler und Ralph Ubl (Hg.), Topologie. Falten, Knoten, Netze, Stülpungen in Kunst und Theorie, Wien: Turia + Kant, 2009, S. 149-192.
Anti-Pygmalion. Zur Krise der Lebendigkeit in der realistischen Malerei, 1860-1880, in: Armen Avanessian, Winfried Menninghaus und Jan Völker (Hg.), Vita aesthetica. Szenarien ästhetischer Lebendigkeit, Zürich, Berlin: diaphanes, 2009, S. 177-190.
Symptomatologie des Zeichnens und Schreibens. Verfahren der Selbstaufzeichnung (Einleitung), in: Barbara Wittmann (Hg.), Spuren erzeugen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Selbstaufzeichnung, Reihe »Wissen im Entwurf«, Bd. 2, Zürich, Berlin: diaphanes, 2009, S. 7-19.
›Drawing cure‹. Die Kinderzeichnung als Instrument der Psychoanalyse, in: Barbara Wittmann (Hg.), Spuren erzeugen. Zeichnen und Schreiben als Verfahren der Selbstaufzeichnung, Reihe »Wissen im Entwurf«, Bd. 2, Zürich, Berlin: diaphanes, 2009, S. 109-144.
Ohne Vorbild. Kinderzeichnungen machen Schule, in: Bildwelten des Wissens Band 7.1 (2009): Bildendes Sehen, S. 72-80.
Le squiggle game: l’esprit du dessin à quatre mains, in: Roven. Revue critique sur le dessin contemporain 2 (Herbst/Winter 2009–2010), S. 56–57.
Das Steckenpferd als Lebenswerk. Ironie und Utopie der Dilettanten in der Kunst der Moderne, in: Safia Azzouni und Uwe Wirth (Hg.), Dilettantismus als Beruf, Berlin: Kadmos, 2010, S. 181-199.
Lost in Attention. Erneut zu Edouard Manets Porträtkunst, in: Werner Busch, Oliver Jehle, Bernhard Maaz und Sabine Slanena (Hg.), Ähnlichkeit und Entstellung. Entgrenzungstendenzen des Porträts, Berlin, München, Deutscher Kunstverlag, 2010, S.107-116.
Drawing Cure: Children's Drawings as a Psychoanalytic Instrument, in: Configurations 18 (2010), Heft 3, S. 251-272.
Vorwort/Preface (gemeinsam mit Safia Azzouni, Christina Brandt, Bernd Gausemeier, Julia Kursell und Henning Schmidgen), in: Abteilung III des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (Hg.), Eine Naturgeschichte für das 21. Jahrhundert. Hommage à/ zu Ehren von/ in Honour of Hans-Jörg Rheinberger, Berlin: MPIWG, 2011, S.6-16.
Prachtleierschwanz, in: Abteilung III des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (Hg.), Eine Naturgeschichte für das 21. Jahrhundert. Hommage à/ zu Ehren von/ in Honour of Hans-Jörg Rheinberger, Berlin: MPIWG, 2011, S.113-116.
Winnicotts Arabesken. Vom Witz einer psychotherapeutischen Praxis, in: Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse 24, Heft 47 (2011), S. 110-116.
Johnny-Head-in-the-Air in America. Aby Warburg’s Experiment with Children’s Drawings, in: Barbara Baert, Ann-Sophie Lehmann und Jenke Van den Akkerveken (Hg.), New Perspectives in Iconology: Visual Studies and Anthropology, Reihe »Iconologies. Studies in the Making, Meaning and Migration of Images«, Bd. 1, Brüssel: AspEditions, 2012, S. 120-142.
Papierprojekte. Die Zeichnung als Instrument des Entwurfs, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 1/12 (2012), S. 123-138.

Rezensionen und Ausstellungsbesprechungen

Hans Körner, Edouard Manet. Dandy, Flaneur, Maler, in: Kunstchronik 2 (Februar 1999), S. 76-83.
Ephemeriden. Anläßlich der Ausstellung Zeit/Los in der Kunsthalle Krems, in: Kunsthistoriker aktuell. Mitteilungen des österreichischen Kunsthistorikerverbandes, 2 (1999), S. 8.
Maike Christadler, Kreativität und Geschlecht. Giorgio Vasaris ›Vite‹ und Sofonisba Anguissolas Selbstbilder, Berlin: Dietrich Reimer Verlag 2000, in: sehepunkte 1 (2001), Nr. 2 [15.02.2001], URL: http://www.sehepunkte.de/2001/02/3464.html
Louis Marin, Die Malerei zerstören. Berlin: Diaphanes 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 7/8 [15.07.2004], URL: http://www.sehepunkte.de/2004/07/4713.html
Rezension von Laurence des Cars, Dominque de Font-Rélaux and Édouard Papet (Hg.), The Spectacular Art of Jean-Léon Gérôme, (1824–1904), Paris: SKIRA, 2010; und: Scott C. Allan and Mary Morton (Hg.), Reconsidering Gérôme, Los Angeles: J. Paul Getty Museum, 2010, in: Art Bulletin 94 (2012), Heft 2, S. 312-316.