Vom Sammeln im Entwerfen
Das Verb »entwerfen« leitet sich wie das französische »projeter« von der schnellen Bewegung des Schleuderns, des Auswerfens her – einer Geste der Distanzierung und des Kontrollverlusts. Diese Geste richtet sich an einem bestimmten Zweck oder Ziel aus, aber wird von diesem keineswegs determiniert. Wer entwirft, versucht dem Unbekannten oder Ungedachten eine Form zu geben, er/sie schlägt eine graphische oder im Fall des Modells dreidimensionale Brücke ins Nichts. Im modernen Sprachgebrauch können mit »entwerfen« nahezu alle Praktiken benannt werden, die zum Einsatz kommen, wenn Kunstwerke, Architekturen, Maschinen, Musikstücke oder Texte projektiert werden. Der Bedeutungshorizont spannt sich vom Zeichnen, Modellieren und Komponieren zum Planen, Konzipieren und Konstruieren. Die Mittel dieser Zeichen- und Schreibtischabenteuer sind so vielfältig wie heterogen: vom Bleistift bis zum CAD-Programm, vom Millimeterpapier zum 3D-Drucker konnten und können die verschiedensten Medien und Werkzeuge dem Entwerfen dienstbar gemacht werden.
Die Projekte des Research Fellow Programms beschäftigten sich zum einen mit der Geschichte und Theorie dieser Werkzeuge des Entwerfens, zum anderen untersuchten sie die Modi des entwerfenden Handelns, also jene Verfahrensweisen, die im Gebrauch der Instrumente und Modelle entwickelt werden. Sie vertieften dabei einen der zentralen Forschungsschwerpunkte des IKKM: die Frage nach der Handlungsmacht nichtmenschlicher Agenten. Indem das Research Fellow Programm die Geschichte und Theorie des Entwerfens in den Blick nahm, versuchte es die Exteriorität des Gestaltens, Bildens und Denkens in methodischer wie thematischer Weise zuzuspitzen: Sowohl in Bezug auf den Begriff des Werkzeugs, der vom Standpunkt der neueren Kulturtechnik- und Wissenschaftsforschung aus einer kritischen Revision unterzogen werden sollte, als auch in Bezug auf den Begriff des Entwerfens als einer Praxis, die den neuzeitlichen Künstler, Architekten, Ingenieur und Wissenschaftler kennzeichnet und begründet. Das Entwerfen erscheint aus dieser Perspektive nicht als eine Tätigkeit unter vielen, sondern als spezifisch moderner modus operandi, der dem Begriff des entdeckenden, forschenden, schöpferischen, zukunftsoffenen Subjekts als dessen Bedingung vorausgeht.
TeilnehmerInnen
Mitglieder des Research Fellow Programms und ihre Projekte
Eva Maria Froschauer
Stefanie Klamm
Schaffen aus der Absenz - Das archäologische Modell als Forschungsinstrument
Ana Ofak
Agenten neuer Form.
Bildpraktiken und experimentelles Entwerfen im Kontext von EXAT51
Ulrich Richtmeyer
Wittgensteins »Philosophie der Werkzeichnung«
Susanne Schregel
Entwürfe der Grenzüberschreitung. Interdisziplinarität und die räumliche Gestalt von Wissenschaft, 1960–1990
Nicole Stöcklmayr
Modelle von Phänomenen. Zum parametrischen Entwurf in der Architektur
Franziska Uhlig
Über Werkzeuge
Barbara Wittmann
Was vom Zeichnen blieb. Fallstudien zum graphischen Entwerfen in der Gegenwart
Assoziierte Mitglieder des Programms
Nathalie Bredella
Techniken des Entwerfens. Werkzeuge und Medien in Entwurfsprozessen von Frank O. Gehry Associates
Gert Hasenhütl
Erkenntnistheoretische Aspekte von Entwurfsprozessen
Peter Heinrich Jahn
Imitatio & disegno geometrico. Inventionsbegriff und Planungsprozeß des römischen Architekten Carlo Fontana (1638-1714) und seiner Schule
Lutz Robbers
Verkörperung/Verzeitlichung: Der Einbruch des bewegten Bildes in die Architektur
Wladimir Velminski
Entwürfe des Neuen des Denkens